Künstler*Innen

Wehrmann, Annette

Sechs Kugeln, G-2012-2, 1991
Courtesy: Ort des Gegen e. V., (c) Annette Wehrmann; VG Bild-Kunst, Bonn, Foto: Annette Wehrmann, Kay Riechers

"Äh, schon wieder die Geldthematik, ach nee. Zu arm für die Revolution! Kein Abenteuertourismus und kein Zeltlager am Wochenende. Denken ist dumm. Wir gucken fern, weil wir uns die Revolution nicht leisten können." (1)
Annette Wehrmann (1961–2010) war eine Künstlerin und Autorin, die sich in ihrer künstlerischen Arbeit nicht an institutionelle Vorgaben hielt. Wehrmann beobachtete jede Form von Bevormundung kritisch und konfrontierte bestehende Wertehierarchien und Machtverhältnisse mit humorvollen Interventionen, radikalen Aktionen und eigenwilligen Kommentaren. Dabei waren Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit die zentralen Themen und sie begegnete gesellschaftlichen Defiziten mit utopisch-ironischen, feministisch-fantastischen Gegenentwürfen.
Annette Wehrmann stellte Objekte aus billigsten und flüchtigen Materialien her, die ein Spannungsverhältnis zu gesellschaftspolitischen, philosophischen und künstlerischen Fragestellungen produzieren. Von Beginn an legte sich ihr Werk mit der Welt an. Dabei war ihr Protest oft spielerisch. Sie schrieb Luftschlangentexte, sprengte Blumen und markierte den Ort des Gegen. (2)
Fußball ist eine wichtige frühe Arbeit aus dem Jahre 1991. Die sechs wuchtigen, aus Backstein gemauerten „Steine des Anstoß“ sind Überbleibsel einer Performance, bei der die Künstlerin die schweren Kugeln unter großer Mühe durch den Raum kickte. Diese Arbeit changiert zwischen Skulptur, energiegeladener Performance und gesellschafts- und kunstbetriebskritischen Interventionen.
1994 erfand sie eine eigene Währung in Muschelform – den Deutschen Seifenbeton. Ihr Playdoyer für parallele Ökonomien und alternative Währungen. Wehrmann ging damit durch die Stadt und fragte die Leute, was sie dafür geben würden. Wichtig: Das Geld sollte nicht konvertier- und nicht verspekulierbar sein.
Wehrmann thematisierte die gesellschaftspolitischen Missstände wie Eigentum, Reichtum, städtebauliche Fehlentwicklungen, Gentrifizierung und ihre eigene prekäre Situation als aktivistisch agierende Künstlerin, die permanent um ihr ökonomisches Überleben kämpfen musste. Die verspätete Wahrnehmung und Ehrung erfährt sie posthum. Im Alter von nur 48 Jahren starb sie.

(1) A. Wehrmann, Luftschlangentexte, Starship Verlag, Berlin 2013.
(2) Ort des Gegen, 2003, Künstlerhaus Stuttgart, kuratiert von Elke aus dem Moore.

Text: Nikola Hartl

"Äh, schon wieder die Geldthematik, ach nee. Zu arm für die Revolution! Kein Abenteuertourismus und kein Zeltlager am Wochenende. Denken ist dumm. Wir gucken fern, weil wir uns die Revolution nicht leisten können." (1)
Annette Wehrmann (1961–2010) war eine Künstlerin und Autorin, die sich in ihrer künstlerischen Arbeit nicht an institutionelle Vorgaben hielt. Wehrmann beobachtete jede Form von Bevormundung kritisch und konfrontierte bestehende Wertehierarchien und Machtverhältnisse mit humorvollen Interventionen, radikalen Aktionen und eigenwilligen Kommentaren. Dabei waren Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit die zentralen Themen und sie begegnete gesellschaftlichen Defiziten mit utopisch-ironischen, feministisch-fantastischen Gegenentwürfen.
Annette Wehrmann stellte Objekte aus billigsten und flüchtigen Materialien her, die ein Spannungsverhältnis zu gesellschaftspolitischen, philosophischen und künstlerischen Fragestellungen produzieren. Von Beginn an legte sich ihr Werk mit der Welt an. Dabei war ihr Protest oft spielerisch. Sie schrieb Luftschlangentexte, sprengte Blumen und markierte den Ort des Gegen. (2)
Fußball ist eine wichtige frühe Arbeit aus dem Jahre 1991. Die sechs wuchtigen, aus Backstein gemauerten „Steine des Anstoß“ sind Überbleibsel einer Performance, bei der die Künstlerin die schweren Kugeln unter großer Mühe durch den Raum kickte. Diese Arbeit changiert zwischen Skulptur, energiegeladener Performance und gesellschafts- und kunstbetriebskritischen Interventionen.
1994 erfand sie eine eigene Währung in Muschelform – den Deutschen Seifenbeton. Ihr Playdoyer für parallele Ökonomien und alternative Währungen. Wehrmann ging damit durch die Stadt und fragte die Leute, was sie dafür geben würden. Wichtig: Das Geld sollte nicht konvertier- und nicht verspekulierbar sein.
Wehrmann thematisierte die gesellschaftspolitischen Missstände wie Eigentum, Reichtum, städtebauliche Fehlentwicklungen, Gentrifizierung und ihre eigene prekäre Situation als aktivistisch agierende Künstlerin, die permanent um ihr ökonomisches Überleben kämpfen musste. Die verspätete Wahrnehmung und Ehrung erfährt sie posthum. Im Alter von nur 48 Jahren starb sie.

(1) A. Wehrmann, Luftschlangentexte, Starship Verlag, Berlin 2013.
(2) Ort des Gegen, 2003, Künstlerhaus Stuttgart, kuratiert von Elke aus dem Moore.

Text: Nikola Hartl

Sechs Kugeln, G-2012-2, 1991
Courtesy: Ort des Gegen e. V., (c) Annette Wehrmann; VG Bild-Kunst, Bonn, Foto: Annette Wehrmann, Kay Riechers