Künstler*Innen

Ndjiharine, Vitjitua

Presence in Absence, 2022
Courtesy: Vitjitua Ndjiharine, Foto: Peter Hartung (c) Vitjitua Ndjiharine

Die aus verschiedenen Materialien gefertigte skulpturale Arbeit Presence in Absence untersucht die verkörperte Präsenz, die Archivgegenständen innewohnt. Welche anderen Wege der Auseinandersetzung mit Museen und materiellen Gegenständen können wir uns vorstellen? Welches Verständnis von Persönlichkeit und Individualität können wir in Verbindung mit diesen Gegenständen zum Ausdruck bringen?
2021 verbrachte die Künstlerin einige Zeit in der Schweiz und stellte Nachforschungen zu Gegenständen an, die erwiesenermaßen ihrer Familie gehören. Diese Objekte sind seit den späten 1880er Jahren Teil der „Sammlung Schinz“ im Völkerkundemuseum Zürich.(1) Während einer kolonialen Expedition nach Deutsch-Südwestafrika Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts sammelte der Schweizer Botaniker und „Entdecker“ Hans Schinz eine Vielzahl an Gegenständen, die laut Schinz die Herero repräsentieren; dies sind namentlich unter anderem vorkoloniale Gewänder, heilige spirituelle Gegenstände und Haushaltsgerätschaften.(2) Die „Sammlung Schinz“ beinhaltet 55 Objekte, die laut Schinz selbst früher im Besitz von Chief Ndjiharine von Omburo (der Ur-Ur-Ur-Großvater der
Künstlerin) waren. Diese und weitere Objekte, die aus verschiedenen Familien in ganz Namibia gesammelt wurden, bilden die „Sammlung Schinz“ im Ethnografischen Museum der Universität Zürich und die älteste Sammlung im Völkerkundemuseum Zürich. Dies wirft zahlreiche Fragen auf, wie
beispielsweise: Was bedeutet es, Familiengegenständen in einem kolonialen Archiv zu begegnen, die vor 100 Jahren geraubt wurden?Welche neue Bedeutung kann von diesen Gegenständen abgeleitet werden?
Wie kann man sich, im Falle persönlicher Gegenstände wie traditioneller Gewänder und Accessoires, die für ein Individuum maßgeschneidert und von dieser Person fast ausschließlich und während ihres gesamten Lebens getragen wurden, eine durch diese Gegenstände verkörperte Präsenz vorstellen? Inspiriert von den Gewändern und Accessoires, die Herero-Frauen in vorkolonialen Zeiten trugen und die aus Leder, Eisenperlen, Straußeneierschalen und getrockneten Saaten gefertigt wurden, fordert uns Presence in Absence dazu auf, uns die Resonanzen einer durch diese persönlichen Gegenstände verkörperten Präsenz vorzustellen und sie als klingende Objekte zu untersuchen, die die Person, die sie trägt, zum Ausdruck bringt.
Weitere Informationen zur Provenienz dieser Objekte und der Ndjiharine-Familie können im Archiv der Basler Afrika Bibliographien (BAB) in Basel, Schweiz, gefunden werden.(3)

(1) Beckmann et al. Man muss eben alles sammeln: Der Zürcher Botaniker und Forschungsreisende Hans Schinz und seine Ethnographische Sammlung Südwestafrika: Zürich: Verl. Neue Zürcher Zeitung, 2012.
(2) Dag Henrichsen übersetzte einen Tagebucheintrag des Schweizer Botanikers Hans Schinz. Dieser schrieb: „Diesen [Aufenthalt] nützte ich so gut aus, dass ich in 5 Tagen 55 diverse ethnographische Objecte einhandelte und ein Mass
Notizen über Hererositten und -Gebräuche sammelte.“, in: Dag Henrichsen (Eds): Hans Schinz; Bruchstücke. Forschungsreisen in Deutsch-Südwestafrika, Basel, 2012, p. 130–138.
Dag Henrichsen translates a diary entry by Swiss Botanist Hans Schinz who wrote: “... I used my stay as much as possible, so that I could trade in 5 days 55 ethnographic objects and also a ‘whole bag’ of notes about Herero traditions and customs ...”, in: Dag Henrichsen (Eds): Hans Schinz; Bruchstücke. Forschungsreisen in Deutsch-Südwestafrika, Basel, 2012, p. 130–138.

Text: Vitjitua Ndjiharine

Die aus verschiedenen Materialien gefertigte skulpturale Arbeit Presence in Absence untersucht die verkörperte Präsenz, die Archivgegenständen innewohnt. Welche anderen Wege der Auseinandersetzung mit Museen und materiellen Gegenständen können wir uns vorstellen? Welches Verständnis von Persönlichkeit und Individualität können wir in Verbindung mit diesen Gegenständen zum Ausdruck bringen?
2021 verbrachte die Künstlerin einige Zeit in der Schweiz und stellte Nachforschungen zu Gegenständen an, die erwiesenermaßen ihrer Familie gehören. Diese Objekte sind seit den späten 1880er Jahren Teil der „Sammlung Schinz“ im Völkerkundemuseum Zürich.(1) Während einer kolonialen Expedition nach Deutsch-Südwestafrika Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts sammelte der Schweizer Botaniker und „Entdecker“ Hans Schinz eine Vielzahl an Gegenständen, die laut Schinz die Herero repräsentieren; dies sind namentlich unter anderem vorkoloniale Gewänder, heilige spirituelle Gegenstände und Haushaltsgerätschaften.(2) Die „Sammlung Schinz“ beinhaltet 55 Objekte, die laut Schinz selbst früher im Besitz von Chief Ndjiharine von Omburo (der Ur-Ur-Ur-Großvater der
Künstlerin) waren. Diese und weitere Objekte, die aus verschiedenen Familien in ganz Namibia gesammelt wurden, bilden die „Sammlung Schinz“ im Ethnografischen Museum der Universität Zürich und die älteste Sammlung im Völkerkundemuseum Zürich. Dies wirft zahlreiche Fragen auf, wie
beispielsweise: Was bedeutet es, Familiengegenständen in einem kolonialen Archiv zu begegnen, die vor 100 Jahren geraubt wurden?Welche neue Bedeutung kann von diesen Gegenständen abgeleitet werden?
Wie kann man sich, im Falle persönlicher Gegenstände wie traditioneller Gewänder und Accessoires, die für ein Individuum maßgeschneidert und von dieser Person fast ausschließlich und während ihres gesamten Lebens getragen wurden, eine durch diese Gegenstände verkörperte Präsenz vorstellen? Inspiriert von den Gewändern und Accessoires, die Herero-Frauen in vorkolonialen Zeiten trugen und die aus Leder, Eisenperlen, Straußeneierschalen und getrockneten Saaten gefertigt wurden, fordert uns Presence in Absence dazu auf, uns die Resonanzen einer durch diese persönlichen Gegenstände verkörperten Präsenz vorzustellen und sie als klingende Objekte zu untersuchen, die die Person, die sie trägt, zum Ausdruck bringt.
Weitere Informationen zur Provenienz dieser Objekte und der Ndjiharine-Familie können im Archiv der Basler Afrika Bibliographien (BAB) in Basel, Schweiz, gefunden werden.(3)

(1) Beckmann et al. Man muss eben alles sammeln: Der Zürcher Botaniker und Forschungsreisende Hans Schinz und seine Ethnographische Sammlung Südwestafrika: Zürich: Verl. Neue Zürcher Zeitung, 2012.
(2) Dag Henrichsen übersetzte einen Tagebucheintrag des Schweizer Botanikers Hans Schinz. Dieser schrieb: „Diesen [Aufenthalt] nützte ich so gut aus, dass ich in 5 Tagen 55 diverse ethnographische Objecte einhandelte und ein Mass
Notizen über Hererositten und -Gebräuche sammelte.“, in: Dag Henrichsen (Eds): Hans Schinz; Bruchstücke. Forschungsreisen in Deutsch-Südwestafrika, Basel, 2012, p. 130–138.
Dag Henrichsen translates a diary entry by Swiss Botanist Hans Schinz who wrote: “... I used my stay as much as possible, so that I could trade in 5 days 55 ethnographic objects and also a ‘whole bag’ of notes about Herero traditions and customs ...”, in: Dag Henrichsen (Eds): Hans Schinz; Bruchstücke. Forschungsreisen in Deutsch-Südwestafrika, Basel, 2012, p. 130–138.

Text: Vitjitua Ndjiharine

Presence in Absence, 2022
Courtesy: Vitjitua Ndjiharine, Foto: Peter Hartung (c) Vitjitua Ndjiharine